Trainingspläne sind nur was für spaßbefreite Effizienzhelden… oder?

Trainingspläne sind nur was für spaßbefreite Effizienzhelden… oder?

Ein etwas anderer Blickwinkel auf ein unterschätztes Werkzeug im Trailrunning Training 

Du kennst sie sicher: diese „Effizienzhelden“, die jeden Lauf mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks planen. Kein Schritt ohne Pulszone, keine Einheit ohne Abgleich der Strava-Statistiken. Klingt irgendwie nach Zwang und wenig Spaß, oder? Doch bevor Du Deinen nächsten Trainingsplan feierlich im Kamin verbrennst, lohnt sich eine gesunde Selbstreflektion gegenüber Deinem Verständnis von Sport und Training – denn ganz so einengend, spaßbefreit und freiheitsraubend muss ein Trainingsplan nicht sein.

Ich will mit diesem Artikel nicht pauschal sagen, dass alle Läuferinnen und Läufer mit einem Trainingsplan trainieren sollten. Und als Trainer oute ich mich hier, dass auch ich in der Regel nicht mehr als 6 Monate im Jahr nach Plan trainiere. Es hängt maßgeblich von meinen Jahreszielen ab, von meiner Lebenssituation und selbstverständlich auch von meiner sportlichen Zielsetzung. Dabei sollten wir auch realistisch sein, solange wir mit den Laufergebnissen nicht unser Geld verdienen, machen wir den Sport für uns und nicht für jemand anderen. Also liegt es auch in Deiner Hand, dass Du Deinen Sport so gestaltest, dass er Dir einen Mehrwert bringt. 

Ein Trainingsplan kann nerven – muss er aber nicht

Natürlich kann ein Trainingsplan sich anfühlen wie ein schlecht gelaunter Personal Trainer, der jeden Tag in Deinem Kalender steht und mit bösem Blick ermahnt: „Heute Intervalltraining!“ Gerade, wenn Du eigentlich lieber eine entspannte Runde drehen, oder mit deiner Laufclique gemeinsam durch die Berge tingeln würdest.

Und ja: Wenn Du Deinen Plan als heiliges Gesetz behandelst, kann er den Spaß am Sport zuverlässig beseitigen. Wenn schon eine verpasste Einheit ein schlechtes Gewissen verursacht.

Aber das ist nicht die Schuld des Plans. Ich würde mal behaupten, dass ist Dein Mindset. Denn ein Trainingsplan kann auch genau das Gegenteil sein: ein entspannter, motivierender Kumpel, der Dir den roten Faden durchs Training legt. Kein spaßbefreiter Drillsergeant, sondern eher der Orientierungspfeil auf Deiner ganz persönlichen Laufreise. Er bringt Abwechslung in Dein Training. Er zeigt Dir, wann Gas geben sinnvoll ist – und wann Couch + Regeneration sogar noch sinnvoller sind. Und er hilft Dir, Deinen Flow zu finden, ohne Dich zu überfordern. Dabei solltest Du aber immer auch Dein subjektives Körpergefühl berücksichtigen und die Einheiten frühzeitig anpassen. 

In meinen Trainingsplänen versuche ich, Dich als Sportlerin oder Sportler so anzuleiten, dass Du mit etwas Erfahrung für Dich selbst entscheiden kannst, was an dem heutigen Trainingstag für Dich gut, oder eben nicht gut ist. Mir ist es sehr wichtig, dass der Plan nicht stoisch abgearbeitet wird, sondern sich mit deinem Körpergefühl deckt. Und letztendlich kann diese Entscheidung nur von Dir selbst getroffen werden. 

Verbesserung kann passieren, muss aber nicht. Vielleicht willst Du schneller werden. Vielleicht stabiler und verletzungsfreier. Vielleicht einfach nur glücklicher die Trails runterfliegen. Alles legitim. Ein Plan zwingt Dich zu nichts – er öffnet Dir nur Türen. Durchgehen darfst Du selbst.

Wer schon mal mit Trainingsplan trainiert hat, kann auch ohne Plan effizienter trainieren

Man kann nur mitreden, wenn man es ausprobiert hat. Wer noch nie Strukturiert trainiert hat, wird vermutlich nie in den Genuss einer wirklichen Leistungssteigerung gekommen sein. Ähnliches gilt für die Trainingszonen. In der Regel beschäftigt man sich erst dann mit seinen individuellen Trainingszonen, wenn im Plan steht, welche Intensität gelaufen werden soll. Selbst wenn Du so gar nicht der Typ für einen Trainingsplan bist, lohnt es sich, sich mit dem Thema für mindestens ein paar Wochen beschäftigt zu haben. 

Mit dem gewonnenem Erfahrungsschatz kannst Du auch ohne niedergeschriebenen Trainingsplan mehr Struktur in Deine Laufeinheiten bringen, ganz unterbewusst. Denn nun kannst Du beurteilen, in welcher Intensität Du wirklich läufst und wie viel Abwechslung Du im Training hast. 

Motivation schlägt alles

Hand aufs Herz: Drei Monate hochdisziplinierter Drill ohne Freude bringt Dich nicht weiter. Und vermutlich wird das auch nicht die Motivation sein, die Dich antreibt. Langfristig funktionieren wird das sicher nicht. Wenn Du dauerhaft Spaß am Ausdauersport hast, passiert Kontinuität fast wie von selbst. Und Kontinuität ist der wahre Gamechanger. 

Motivation + Kontinuität = nachhaltiger Fortschritt 

Was bremst Dich am ehesten aus?

Vermutlich wird es nicht der Trainingsplan sein. Sondern: zu viel des Guten. Übermotivation ist der Endgegner vieler Ausdauersportler – völlig egal, ob Einsteiger oder Ambitionierter.

Klassiker im Ausdauersport:

  • „Wenn 30 km gut sind, sind 40 bestimmt besser.“
  • „Drei harte Einheiten die Woche? Klingt solide. Machen wir fünf!“
  • „Regeneration ist für Weicheier“ 

Damit ruinierst Du Dir schneller die Form als mit jeder verpassten Einheit. Ein Trainingsplan schützt Dich davor – zumindest, wenn Du ihn als Wegweiser nutzt und nicht als Vorschlaghammer.

Am Ende zählt: Was Du daraus machst.

Ein Trainingsplan ist kein Käfig. Er ist ein Werkzeug. Und wie bei jeder Werkzeugkiste kannst Du damit etwas richtig Cooles bauen, oder Dir versehentlich auf den Daumen hauen. Wenn Du es schaffst, Spaß, Motivation und ein kleines bisschen Struktur unter einen Hut zu bringen, wirst Du ziemlich sicher nicht schlecht in dem sein, was Du tust.

Mach ihn zu Deinem Plan. Und dann genieß Deine Laufabenteuer, ohne, dass Dir konditionelle Grenzen gesetzt sind.

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